Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Die zehn beliebtesten Irrtümer über Sadomasochisten

Ungekürzte Leseprobe

 

  1. Sadomasochisten sind krank.
    Nur wenn sie sich eine Grippe einfangen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich Sadomasochisten, außer in ihren sexuellen Vorlieben, von anderen Menschen unterscheiden.
  2. Sadomasochisten genießen Schmerzen.
    Viele Sadomasochisten können Schmerzen nichts abgewinnen. Ihre Spiele drehen sich um Macht, Unterwerfung und Demütigung. Und auch auf der anderen Seite gibt es nur wenige, die es nicht nur als Vorstellung oder Machtdemonstration, sondern unmittelbar erotisch finden, wenn man ihnen Schmerzen zufügt. Außerdem funktioniert das alles natürlich nur in einem sexuellen Kontext und nicht beim Zahnarzt.
  3. Sadomasochismus ist Gewalt.
    Der Unterschied zwischen Gewalt und Gewaltdarstellung ist Sadomasochisten klarer als den meisten Filmkritikern. Sadomasochismus hat mit realer Gewalt ungefähr so viel zu tun wie Quake-Spielen gegen die Kollegen mit einem blutigen Massaker im Büro.
  4. Es gibt Sadisten und Masochisten, und eines ist häufiger als das andere.
    Je nach untersuchter Subkultur wird mal die eine, mal die andere Rolle als die beliebtere beschrieben. Ein großer Teil der Sadomasochisten fühlt sich auf beiden Seiten wohl.
  5. Die Ursache des Sadomasochismus liegt in ...
    Über die Ursachen sadomasochistischer Interessen hat man bisher nicht sehr viel herausgefunden. Man kann aber wohl mit Sicherheit sagen, daß es die eine, alles erklärende Ursache nicht gibt. Zum einen fallen die individuellen Ausprägungen ganz unterschiedlich aus, zum anderen können auch äußerlich ähnliche Verhaltensweisen ganz verschiedene Hintergründe haben. Die Biographien und Erfahrungen von Sadomasochisten weisen keine Elemente auf, die allen gemeinsam wären.
  6. Sadomasochisten finden nur sehr schwer einen Partner.
    Sadomasochisten, die ihre Interessen geheimhalten und mit niemandem darüber sprechen, haben es in der Tat nicht leicht. In der sadomasochistischen Subkultur dagegen findet so gut wie jeder Top seinen Deckel. (Extreme Schüchternheit und haarige Warzen auf der Nase sind hier natürlich genauso hinderlich wie im Rest der Welt.) Man sollte nicht aus den Augen verlieren, dass die Partnersuche auch für Menschen mit den gebräuchlichsten sexuellen Vorlieben nicht einfach ist.
  7. Es gibt nur wenige Sadomasochistinnen. Frauen spielen meist nur wegen des Geldes oder dem Freund zuliebe mit.
    Der Frauenanteil in der heterosexuellen SM-Subkultur liegt je nach Gruppe und Veranstaltung im Allgemeinen bei etwa einem Drittel. Und wer sich im eigenen alltäglichen Umfeld umsieht, wird feststellen, dass das den Verhältnissen bei den meisten sozialen Anlässen entspricht.
  8. Sadomasochismus wird von abgestumpften Leuten praktiziert, die alles andere schon ausprobiert haben.
    Viele Sadomasochisten wissen sehr früh, oft schon vor der Pubertät, sehr genau, was sie wollen. Das hohe Durchschnittsalter mancher SM-Gruppen liegt zum Teil daran, daß das Coming-Out noch vor wenigen Jahren wesentlich schwieriger war als heute und erst nach entsprechend langem Zögern stattfand. Der übersättigte alte Lustmolch, der mit SM-Praktiken seine Impotenz zu beheben versucht, scheint eine Legende zu sein.
  9. Sadomasochismus stellt einen Ausgleich zu den Anforderungen des Alltags dar: Erfolgreiche Manager lassen sich nach Feierabend von der Domina erniedrigen und frustrierte kleine Männer geben zu Hause vor der Ehefrau den großen Meister.
    Sadomasochistische Praktiken können diese angenehme Funktion unter anderem haben, müssen es aber keineswegs. Dominantes Auftreten im Alltag weist weder darauf hin, dass der oder die Betreffende auch im Bett dominant ist, noch kann man das Gegenteil daraus ablesen. Man sieht den meisten Leuten einfach nicht an, welche Seite sie bevorzugen.
  10. Im Laufe der Zeit werden die Praktiken immer extremer und gefährlicher.
    Unausgelebte SM-Phantasien neigen wie alle sexuell stimulierenden Vorstellungen zu Abnutzungserscheinungen und müssen dann weiter ausgebaut werden. In der Praxis entdeckt man in SM-Beziehungen hin und wieder neue Spiele, die Spaß machen, aber von einer Sucht nach immer extremeren Spielweisen kann nicht die Rede sein.
© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001