Die Wahl der Qual

 

Zeigen der Geräte
Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Interview mit Johannes

 

Als ich irgendwas zwischen vier und sechs war, sind wir mit einer befreundeten Familie nach Dänemark in Urlaub gefahren, und da war ein Mädchen dabei, die war vier oder fünf Jahre älter als ich. Die fand ich damals natürlich schon ziemlich klasse. Sie hat mich relativ wenig beachtet, möcht ich mal sagen. Das hat sich im Laufe des Urlaubs dann aber doch gebessert, weil so viele Leute waren ja da auch nicht in der Umgebung. Irgendwann lag sie dann auf dem Sofa, und ich war so drumrum am Spielen, sie hat in einem Comic geblättert. Dabei hingen ihre nackten Füße über das Ende von dem Sofa, und ich fand das lustig, mit denen rumzuknautschen. Und dann haben wir daraus so eine Art ritualisiertes Spiel gemacht. Das heisst, ich hab ihre Zehen genommen, hab die so ein bisschen gegeneinander verhakelt, hab mit denen rumgespielt, und fand das ziemlich prima. So im Rückblick ist das schon ganz klar so die erste präsexuelle Empfindung, die ich hatte.

Wenn du mich fragst: "Anzeichen oder Auslöser?" würde ich sagen, Anzeichen. Von der klassischen Lerntheorie her müsste für eine Konditionierung ein ziemlich hoher Belohnungsfaktor eingebaut werden, speziell, wenn das halt mit ein paar Mal funktionieren soll. Und da fällt mir eigentlich nichts ein dazu. Ich hab ja eben auch nur diesen einen speziellen Körperteilfetisch. Gut, ich find weibliche Brüste ziemlich prima, aber das hat nicht diesen Fetischcharakter. Der Fetisch ist was, was ziemlich direkt ohne große Umwege sexuelle Erregung auslöst. Dazu reicht es halt, dass ich die Füsse einer Frau, die mir sympathisch ist, nehme und zum Beispiel massiere. Das reicht auf jeden Fall schon, um mich in irgendeiner Form zu erregen, meistens auch dafür, dass ich eine Erektion bekomme. Bei weiblichen Brüsten ist das bei mir nicht ganz so ausgeprägt. Das find ich schon auch prima, und es versetzt mich auch in irgendeine Art von Erregung, aber es fühlt sich einfach anders an. Bei Brüsten ist es mehr sowas Ästhetisches: das find ich prima, und es sieht gut aus ... da würd ich viel eher sagen, dass es was tatsächlich Konditioniertes, was Erlerntes ist. Weil da klar ist, das ist mit Sex verbunden. Das hat sich auch eher entwickelt, würd ich sagen. Während weibliche Füße, das hatte direkt von Anfang an, das erste Mal, wo ich mit einer Frau ins Bett gegangen bin - da war natürlich nicht sehr viel mit Fußfetisch - aber da hatte es schon was direkt Spannendes, Erregendes, ohne dass das jemals gelernt worden wäre. Das ist mit Brüsten ein bisschen anders bei mir.

Danach gab's dann erst mal sehr lange nichts in der Richtung. Dann hatte ich die erste wirklich lange Beziehung, mit Maren, die war vollkommen normal, hatte mit SM und Fetisch und so überhaupt nichts am Hut. Und diese Frau hatte den bemerkenswertesten Schlaf aller Menschen, die ich jemals kennengelernt hab. Da konnte man nebendran Bomben werfen und sie ist nicht aufgewacht. Ich hatte in den Jahren davor relativ effizient alle Anwandlungen in Richtung Fußfetisch und SM und sowas verdrängt gehabt aus meinem Leben. Aber in der Zeit hab ich das Internet entdeckt und gemerkt, dass es sehr, sehr viele andere gibt, dass es nicht unbedingt krank ist und hab mich dann so langsam da wieder rangetraut. Und in der Zeit hab ich es sehr genossen, nachts abzuwarten, bis Maren eingeschlafen war und mich dann im Bett umzudrehen und mich an ihre Füße zu kuscheln. Das war sehr angenehm, ich konnte meistens nicht so richtig gut einschlafen wegen der Erektion, aber es war ziemlich prima. Sie ist eigentlich auch nur ganz selten davon aufgewacht. Einmal ist sie davon aufgewacht und hat sich sehr erschreckt und mich gefragt, was ich da mache. Ich hab gesagt, ich bin gerade auf dem Weg zum Klo. Leute, die aufwachen, sind ja nicht besonders kritisch, die glauben so ziemlich alles. Angesprochen hab ich das Thema aber nie. Zu der Zeit hab ich mich auch sehr dafür geschämt, weil ich überzeugt war, dass das halt ein Zeichen für eine vollkommen fehlgeleitete Sexualität ist, für irgendwelche Charakterdeformationen und sowas. Es war schon schlimm genug, ihr zu erzählen, dass ich eben auf SM stehe, das hat sie schon sehr mitgenommen, und da wär kein Platz gewesen, das noch mit weiteren Geständnissen zu belasten. Dann ist mir die Beziehung auch langsam so ein bisschen unter den Fingern zerronnen.

Inzwischen steh ich über solchen Sachen viel mehr als früher, insofern ist mir das auch nicht mehr wirklich peinlich. Aber es war mir viele Jahre extrem peinlich, ich hätt das auch nicht zugegeben. Nach dem SM-Coming out hätt ichs zugegeben, wenn das Gespräch drauf gekommen wäre, aber von mir aus mit Sicherheit nicht, weil ich zu der Zeit im SM-Bereich tendenziell eher auf der Sub-Seite gewesen bin und mir nicht sicher war, inwieweit das nicht doch mit einer schwachen Persönlichkeit und sowas zu tun hat. Und da hat es mir eben noch viel Sorge bereitet, dass ich ... so wie eben der klassische Fetischist beschrieben wird: jemand, der zu Personen keine große Bindung aufbaut, sondern irgendwelche Objekte an die Stelle der Personen nimmt, der eher schwach und von seinem Fetisch gesteuert ist. All das wollte ich lieber vermeiden und hab deshalb nicht so besonders gern drüber geredet. Inzwischen seh ich das anders. Inzwischen seh ich sowohl SM als auch diesen Fußfetisch als irgendeine Art von sexueller Abweichung, die aber ansonsten relativ harmlos ist. Und insofern macht's mir inzwischen auch nichts mehr aus.

Was mir daran Spaß macht, das ist das Merkwürdige, das ist extrem schwer zu beschreiben. Ich denke, man kann auch schlecht beschreiben, was einem an Sex insgesamt Spaß macht. Das ist was Eingebautes, was einfach prima ist, was vielleicht in gewissem Sinne auch nötig ist. Und so ähnlich ist es mit dem Fußfetisch halt auch - das ist teilweise eine Reaktion, die direkt aus dem Reflexzentrum kommt, wo ich keinen großen Einfluss drauf hab und die auch nicht mit anderen Gefühlen groß verbunden ist. Ein anderer Teil davon hat auch dann schon was mit Aussehen und Geruch und sowas zu tun. Es sind nicht alle Füße gleich. Wenn mir die Besitzerin der Füße nicht sympathisch ist, dann tut sich da auch nix, dann ist es mir egal oder lästig. Wenn es Füße sind, die nicht schön aussehen, dann stört mich das auch. Wenn es irgendwie so normal gutaussehende Füße sind, die Frau ist mir sympathisch und so, dann kann dieser Fetisch überhaupt erst zum Tragen kommen. Das heisst, er kann sehr stark überlagert werden durch andere Sachen. Wenn die Füße so ein bisschen nach Fußschweiss riechen, dann ist das auch prima. Wenn sie richtig stinken, dann macht es auch wieder keinen Spaß mehr. Das heisst, der Fetisch ist schon ein Reflex, aber ein sehr empfindlicher, der relativ leicht überlagert und verschreckt werden kann von anderen Sachen.

Was ich ziemlich prima finde, sind relativ lange Füße, wenn die Zehen relativ schmal sind und sich die ganzen Sehnen klar abzeichnen, die Adern hervortreten, schlanke Fesseln und so. Wenn sie nicht allzu dunklen Teint haben, sondern eher eine weisse Haut, keine Ahnung. Ich denke, das allgemeine Aussehen ist vollkommen im Rahmen dessen, was auch von Nichtfetischisten halt für einen schönen Fuß gehalten wird.

Dass das mit dem Fußschweiss eine nachträgliche Konditionierung ist, kann sein, ich glaub's allerdings eher nicht. Schon in der Zeit mit Maren, als ich da so die ersten echten Fetischspiele sozusagen unternommen hab, wenn sie geschlafen hat dabei, war mir das schon auch sehr wichtig. Es war nicht nur das Gefühl, mich an die Füße zu kuscheln, sondern auch der Geruch, was es gebracht hat dabei. Deshalb denk ich, dass es schon auch direkt dazugehört. Wobei ich Körpergeruch insgesamt meistens ziemlich klasse finde, das ist für mein sexuelles Erleben ziemlich wichtig. Insofern passt das da ganz gut rein.

Was ich gern mache ... zum einen die Füße lecken, bekauen, beknabbern, dran saugen, vorsichtig reinbeissen, zum anderen die Füße fesseln, auch sie schlagen und die Zehen auseinanderfesseln oder zusammenfesseln. Also viele Sachen, die halt auch so einen leichten SM-Touch haben. Ich find's auch ziemlich prima, wenn die Frau mir die Füße in den Mund steckt. Das hat sehr viel mit allerlei oralen Sachen zu tun ... mit Lecken, Kauen, Riechen, und mit Manipulationen, also mit den Zehen spielen, die Füße anfassen, drücken.

Eine demütigende Komponente ist da eigentlich nicht dabei. Eine kleine Spur, ja, aber da hab ich eigentlich mehr das Gefühl, dass das von aussen kommt, also von der gesellschaftlichen Konditionierung, den Wertvorstellungen, dass sowas demütigend zu sein hat. Ich selbst erleb's eigentlich nicht so.

Das ist auch was, was schon fast den gleichen Stellenwert hat wie SM oder mein Fußfetisch: dass es einfach ziemlich prima für mich ist, an jemandem zu manipulieren, der schläft. Die Tatsache, dass derjenige nicht nur mit ausgeliefert ist, sondern dass demjenigen auch vollkommen unbewusst ist, was mit ihm passiert, ist ein absoluter Kick. Es ist relativ schwierig, weil das die einzige meiner sexuellen Merkwürdigkeiten ist, bei der ich relativ häufig immer noch ein schlechtes Gewissen hab. Das kommt einfach nur daher, dass die Leute, wenn man sie im Schlaf begrabbelt und manipuliert und sowas, in der Regel nach einiger Zeit so halb aufwachen und dann erst mal knurren und um sich schlagen. Nicht dass sie einem jetzt wirklich böse sind, aber man hat sich ja auch nicht so ganz im Griff, wenn man zwischen Schlafen und Wachen ist. Und das stört natürlich schon den Schlaf nach einiger Zeit, das ist ganz klar, und dann sind sie so ein bisschen brummig, selbst wenn sie im wachen Zustand sagen, dass das vollkommen ok ist. Losgegangen ist das eigentlich in der gleichen Beziehung mit Maren, wo eben sehr viele Sachen eigentlich losgegangen sind, also sowohl das SM-Coming-Out als auch die Sache mit dem Fussfetisch und dieses, und das wurde natürlich extrem begünstigt dadurch, dass sie so einen Bombenschlaf hat, dass man da einfach nachts mit ihr alles machen konnte. Vorher hatte ich nie irgendwelche Ambitionen in der Richtung gehabt. Ich glaube, dass es so eine Äusserung einer allgemeinen SM-Neigung ist, dass es einfach prima ist, mit hilflosen Leuten was zu veranstalten. Damals mit Maren war das auch genau der Grund, warum ich das irgendwann wieder gelassen hab: mir ist irgendwann klargeworden, dass das strenggenommen sexuelle Belästigung ist, was ich da treibe. Weil sie einfach in wachem Zustand dem nie zugestimmt hat und im Schlafen das natürlich sowieso nicht konnte. Ich hab das sehr genossen, aber ich hab's dann irgendwann wieder eingestellt. Meistens wars eben so, dass ich sie nachts aufgedeckt hab und dann an ihren Brustwarzen gespielt hab oder mit ihrer Scheide gespielt hab, und besonders spassig fand ich's, ihr den Finger in den Hintern zu stecken und mit ihrem Hintern zu spielen. Das ging eine Zeitlang, und da hab ich gemerkt, es passiert nichts, weil sie das echt nicht mitkriegt, und dann hab ich angefangen, zu versuchen, ob ich ihr nicht den Schwanz in den Arsch stecken kann. Was ja für jemanden, der darin nicht geübt ist, zumindest im wachen Zustand relativ schwierig ist. Und zu der Zeit hatte ich auch so mit Gleitmittel und so noch nicht so viel Ahnung, also hab ich mich halt hingesetzt, den Schwanz erst mal mit Spucke schön feucht gemacht und so, und hab's dann tatsächlich in einer Nacht geschafft, ihr den Schwanz in den Arsch zu stecken, während sie schlief, und sie ist nicht aufgewacht davon. Und das war das erste Mal, dass ich sofort zum Orgasmus gekommen bin. Also, in dem Moment, in dem ich drin war, zack, hab ich einen Orgasmus gehabt. Das hab ich vorher und nachher nie mehr erlebt, das war sehr erstaunlich. Naja, der Hang dazu ist mir geblieben, das Dumme ist, dass meine jetzige Freundin einen so leichten Schlaf hat, dass es vollkommen aussichtslos ist, da irgendwas zu versuchen, ausserdem schlägt sie gerne um sich, wenn man sowas macht.

Wenn ich die Besitzerin der Füße persönlich und gut kenne und sie mir sympathisch ist, das ist bei mir schon wichtig. Was vielleicht auch gegen die genauso weit verbreitete Annahme der Sexualwissenschaftler spricht, dass Fetische halt immer eine Objektivierung, eine unpersönliche Sache sind. Das ist bei mir schon was, was ausgesprochen persönlich ist.

Ich stoße auch auf mehr Verständnis in meiner direkten Umgebung. Ich hab noch keine Frau gesehen, der ich's direkt erzählt hab, die quiekend davongerannt wäre, was mich sicher verstört und verängstigt hätte. Bisher war's eigentlich so, die Frauen, denen ich's erzählt hab, die fanden das irgendwas zwischen angenehm und vielleicht putzig oder so. Ich hab nie eine schlechte Reaktion dabei gehabt, und ich denke, dass bei allen sexuellen Spielarten die Reaktion der Umwelt schon auch immer wichtig ist, wie gut man sich dabei fühlt.

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001