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Dürfen die das?Die Rechtslage
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DER SPIEGEL 46/1998, Auszug aus einem Interview mit Frauenministerin Bergmann: SPIEGEL:
Vor einigen Monaten haben Sie für Aufsehen gesorgt, weil Sie als Mitglied eines
überparteilichen "Frauenbündnisses" Front gegen Pornographie gemacht haben.
Sie sei "sexualisierter Haß" - ziemlich starke Worte. Zu diesem Interview wurde ein Leserbrief des SMart-Vorstands abgedruckt: Familienministerin Bergmann braucht sich gar nicht zu wundern, wenn sie gerade von Frauen als Tugendwächterin kritisiert wird. Frauen, die differenzieren können, packen grausame Kinderpornos und sadomasochistische Erotik nicht in einen Topf - besonders wenn die beste SM-Erotik (wie die "Geschichte der O") sowieso von Frauen geschrieben wurde. Sadomasochismus ist eine normale Variante der weiblichen Sexualität. Was soll denn passieren, wenn diese angebliche Gewaltpornographie bei Frauen gefunden wird? Der Besitz von solchen Darstellungen ist bei Sadomasochistinnen die Regel. Frauen müssen nicht vor ihrer eigenen Meinungsfreiheit beschützt werden - wir entscheiden selbst, was gut für uns ist. Andrea Juchem, SMart Rhein-Ruhr e.V. |
Die Tatsache, dass sich Gewaltpornographie schlichtweg an Menschen wendet, für die Gewalt und Sex lustvoll miteinander verbunden sind, nämlich an Sadomasochisten, und dass diese Menschen keineswegs im Alltag mordend, sengend und vergewaltigend durch die Straßen ziehen, wird in dieser Diskussion regelmäßig ignoriert. Die frühere Bundesjustizministerin und Mitinitiatorin des neuen "PorNO"-Bündnisses Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) antwortet auf den Protestbrief eines Mitglieds von SMart Rhein-Ruhr e.V.:
"Wenn Sie in Ihrem Privatleben sexuelle Erniedrigung als wesentlichen Bestandteil Ihres Sexuallebens empfinden, so ist dies Ihre Privatangelegenheit. Ich halte es jedoch für ausserordentlich schwierig, die Personengruppe der Sadomasochistinnen und Sadomasochisten ausdrücklich bei einer Neudefinition des §184 StGB zu berücksichtigen. Pornographie ist die erniedrigende Darstellung von Sexualität. Sie mag es inspirieren, den weitaus größeren Teil der Konsumenten verleitet es zu Gewalt und Penetration ihres sexuellen Gegenübers, der oder die eben nicht sexuelle Lust dabei empfindet, sondern Schmerz, Erniedrigung und Pein. Diese Gruppe gilt es zu schützen."
Diese Annahme eines "weitaus größeren Teils" an leicht beeinflussbaren oder gar schwer gestörten Konsumenten ist frei aus der Luft gegriffen. Wer kein Interesse an der Verknüpfung von Sex und Gewalt mitbringt, konsumiert auch keine Pornographie, die diese Verknüpfung zum Inhalt hat, weil er sie nicht erregend findet. Wer solche Pornographie erregend findet, ist ein Sadomasochist, deshalb aber noch lange kein Soziopath, der die gesehenen Praktiken mit unfreiwilligen Opfern in die Tat umsetzen will. SM-Pornographie wird nicht vorwiegend von Gewalttätern und nur quasi nebenbei auch noch von Sadomasochisten konsumiert.
Zum Glück hat man vom Bonner Frauenbündnis gegen Pornographie seit seiner Gründung im Sommer 1998 nichts mehr gehört. Es steht zu hoffen, dass auch diese Initiative im Sande verlaufen wird.
Wer noch keine 18 ist, ist gekniffen: Einerseits ergeben alle Umfragen, dass die Mehrheit der befragten Sadomasochisten sich schon lange vor dem achtzehnten Lebensjahr über ihre Neigungen im Klaren ist. Zwischen erster Wahrnehmung der eigenen Andersartigkeit und Coming-out, das legen die Statistik und zahlreiche Berichte von Sadomasochisten nahe, liegt für viele die gesamte Pubertät. Andererseits wird in der Regel so getan, als setzten sadomasochistische Interessen keinen Tag vor der Volljährigkeit ein. Sadomasochistisches Material sieht man im allgemeinen als geeignet an, Jugendliche "sittlich zu gefährden" und "sozialethisch zu desorientieren".
"Als ich etwa vierzehn war, erschienen Nancy Fridays 'Sexuelle Phantasien der Frauen' und 'Sexuelle Phantasien der Männer' und wurden, wie ich später erfahren habe, von der BPjS gleich indiziert. Zum Glück wusste unsere Bibliothek davon offenbar nichts, jedenfalls habe ich beide Bände verschlungen und fand sie ausgesprochen beruhigend: Ich war mit meinen Phantasien offenbar nicht allein. Wenn es nach der BPjS gegangen wäre, hätte man mir das erst mit 18 mitteilen dürfen."
Gisa
Bis in die neunziger Jahre hinein war die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) eifrig damit beschäftigt, sadomasochistisches Material von Jugendlichen fernzuhalten: 1982 den französischen Literaturpreisträger "Geschichte der O", bis 1987 11 von 19 Bänden aus John Normans "Gor"-Serie, die deutschen Übersetzungen von Anne Rice' "Dornröschen"-Trilogie und jede Menge Comics. 1985 wird der Roman "Neun Wochen und drei Tage von Elizabeth McNeill, der später - stark bereinigt - als Vorlage für den Film "Neuneinhalb Wochen" dient, auf den Index gesetzt. "Für Kinder und Jugendliche", heißt es zur Begründung, "kann durch die Darstellung sadistischer und masochistischer sexueller Handlungen eine Gefährdung ausgehen ... Das skizzierte Frauenbild entspricht in keiner Weise dem sexuellen Empfinden von Frauen, es entspringt vielmehr der männlichen Phantasiewelt, auch wenn der Autor eine Frau sein soll." Dem jugendlichen Konsumenten werden "besonders gefährliche Verhaltensmuster präsentiert, indem einmal der Eindruck vermittelt wird, die Kombination von Sex und Gewalt bereite einen besonderen Lustgewinn und zusätzlich könne derjenige, der einmal solche Sexualpraktiken 'genossen' habe, auf andere Weise keine sexuellen Empfindungen mehr erleben." Gerade die Tatsache, dass Sadomasochismus hier einmal nicht auf geschmacklose und abschreckende Art dargestellt wird, macht die BPjS dem Buch zum Vorwurf:
"Wenn man bedenkt, daß es sich bei der Erscheinungsform des Sadomasochismus um eine pathologische, perverse oder deviante Form der Sexualität handelt, die der Verlag als 'Spiel von Herrschaft und Unterwerfung' bezeichnet, daß die FAZ von der 'Lustpassion' spricht, 'die literarisch wie liebestechnisch in den weiten Grenzen des Geschmacks bleibt' und die Welt am Sonntag nur vom leichten Schauer beim Leser spricht, so kann nicht erwartet werden, daß jugendliche Leser, insbesondere solche, die für diese Materie anfällig sind, die Gefährlichkeit dieser sadomasochistischen Darstellungen durchschauen."
Diese Ansteckungsthese wird heute von niemandem mehr ernsthaft vertreten. Sheree Rose, die langjährige Lebensgefährtin des Autors und Performancekünstlers Bob "Supermasochist" Flanagan, bringt es auf den Punkt: "Man kann sich die Vorliebe für Sadomasochismus nicht wie ein Virus einfangen. SM ist nicht ansteckend. Entweder es gefällt dir oder nicht. Es gibt keinen Mittelweg."
Indizierte Literatur ist zwar weiter über den Buchhandel erhältlich, darf aber weder offen ins Regal gestellt noch an Minderjährige abgegeben oder irgendwie beworben werden. Das erschwert den Verkauf so erheblich, dass die meisten Verlage davon absehen, indizierte Literatur weiter im Programm zu führen. Inzwischen scheint sich die Situation einerseits entspannt zu haben - trotz des aufblühenden Angebots an SM-Literatur treffen Indizierungen in den letzten Jahren meist nur noch eher austauschbare Machwerke, während vieles, was noch in den 80ern auf den Index gesetzt worden wäre, heute ohne Probleme über die Ladentheke geht. Andererseits gelten seit einer Gesetzesänderung vom 1. August 1997 inhaltsgleiche Neuausgaben einstmals indizierter Titel automatisch als mitindiziert. Das hat zur Folge, dass eine große Anzahl von Titeln, die etwa in den fünfziger Jahren als jugendgefährdend eingestuft wurden und in neueren Ausgaben seit Jahren wieder frei auf dem Buchmarkt erhältlich waren, wieder indiziert sind. Bereits die Erwähnung dieser Titel in SM-Literaturlisten ist verbotene Werbung.
Es wäre zwar kein Beinbruch, in den Zeiten des Internets als Jugendlicher auf von der BPjS indizierte Literatur verzichten zu müssen. Aber auch, ob BDSM-Praktiken von Minderjährigen überhaupt ausgeübt werden dürfen, ist strittig: Folgt man Olaf May - was Juristen in einem solchen Fall vermutlich tun werden - können nur Volljährige rechtsgültig in eine Körperverletzung (siehe unten) einwilligen. Das ist nicht zu vergleichen mit dem "Schutzalter", das Jugendliche generell vor Übergriffen durch Ältere bewahren soll - BDSM-Praktiken sind auch mit gleichaltrigen Partnern bis zum 18. Lebensjahr illegal. In Österreich gilt sogar die "Penetration mit Gegenständen", sprich Benutzung von Dildos, als "gewaltähnliche sexuelle Handlung" und ist für Jugendliche verboten.
Derzeit achten sämtliche SM-Gruppen in den deutschsprachigen Ländern strikt darauf, nur Volljährige zu ihren Treffen zuzulassen. Anlaufstellen und Beratungsangebote für Minderjährige, die im schwullesbischen Bereich längst selbstverständlich sind, gibt es im SM-Bereich nirgends. Keine Gruppe will - verständlicherweise - das Risiko eingehen, sich strafbar zu machen oder von den Medien noch weiter in die Nähe pädophiler Gewalttäter gerückt zu werden.
Neu: Erstens stimmt das so nicht mehr - inzwischen wurde die SMJG gegründet, die sich speziell an Minderjährige wendet. Zweitens wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass in der Schweiz die sexuelle Mündigkeit auf 16 Jahre festgesetzt ist. Selbst Unter-16-jährige machen sich nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. SM-spezifische Handlungen implizieren allerdings oft die Wehrlosigkeit des Bottom, weshalb für solche Spiele jedenfalls Urteilsfähigkeit des Bottom vorliegen muss.
SM erfüllt im allgemeinen den Tatbestand der "einfachen Körperverletzung"; kommen Skalpelle, Nadeln oder Peitschen ins Spiel, sind wir schon bei der "gefährlichen Körperverletzung". Die Strafbarkeit sadomasochistischer Körperverletzungen kann theoretisch unterschiedlich beurteilt werden. In § 228 StGB heisst es: "Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt." Je nachdem, ob man sadomasochistische Aktivitäten als sittenwidrig einstuft, kann der Bottom also unter Umständen gar nicht rechtswirksam in sie einwilligen. Seit 1943 sind in Deutschland allerdings keine Gerichtsentscheidungen zu Körperverletzungen durch SM-Praktiken mehr veröffentlicht worden. In der juristischen Literatur ist man sich in den letzten Jahren darüber einig, dass einvernehmliche sadomasochistische Handlungen entweder zwar sittenwidrig, aber nicht strafwürdig, oder aber gar nicht erst sittenwidrig sind. Das Amtsgericht Hamburg äußert allerdings noch im April 2000 mit dieser Begründung Bedenken, die SM-Gruppe Schlagwerk ins Vereinsregister einzutragen.
Die Einwilligung selbst muss freiwillig erteilt werden und kann jederzeit widerrufen werden. Fällt also zum Beispiel das Safeword, beginnt auch offiziell der Bereich der Strafbarkeit. Auf Täuschung beruhende Einwilligungen sind unwirksam: vereinbart man Schläge und bekommt dann gegen seinen Willen beispielsweise ein Cutting zugefügt, ist das ein klarer Rechtsverstoß. Man braucht also in einem solchen Fall nicht zu befürchten, dass die zuständigen Stellen nur höhnisch bemerken, man hätte sich eben gar nicht auf solcherlei Praktiken einlassen sollen - wer wirklich Anzeige erstatten möchte, hat das Recht auf seiner Seite. Kommt es dagegen im Laufe des Spiels zu einer ungeplanten, fahrlässigen Körperverletzung, ist diese durch die Zustimmung zu einer risikobehafteten Handlung unter Umständen mit abgedeckt. Hier neigen Juristen allerdings in der Praxis eher dazu, SM-Praktiken als risikoreicher anzusehen, als sie tatsächlich sind und in der Folge schon mal Tops, die die selbstverständlichsten Sicherheitsregeln ignorieren, ungeschoren davonkommen zu lassen.
Einfache Körperverletzung wird nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt. Bei gefährlicher Körperverletzung muss die Staatsanwaltschaft eigentlich ermitteln - und ein besonders dienstbeflissener Staatsanwalt kann das theoretisch durchaus auch in scheinbar klaren Fällen tun. Ob eine wirksame Einwilligung vorliegt, kann schließlich erst im Zuge der Ermittlungen geklärt werden.
In Österreich gilt analog zu Deutschland § 90 StGB: "Eine Körperverletzung oder Gefährdung der körperlichen Sicherheit ist nicht rechtswidrig, wenn der Verletzte oder Gefährdete in sie einwilligt und die Verletzung oder Gefährdung als solche nicht gegen die guten Sitten verstößt." Wenn die Spuren eines Spiels nicht länger als zwei Stunden sichtbar sind, liegt überhaupt keine Körperverletzung vor. In eine schwere Körperverletzung kann man wie in Deutschland nicht wirksam einwilligen - sie liegt nach § 84 dann vor, wenn die Gesundheitsschädigung länger als 24 Tage dauert oder die Verletzung "an sich schwer" ist - was Ermessenssache sein dürfte. Österreichische Sadomasochisten sind also tendenziell etwas schlechter gestellt; das letzte Urteil, in dem der österreichische Oberste Gerichtshof sich überhaupt mit sadomasochistischen Körperverletzungen beschäftigt (und sie für sittenwidrig befindet), stammt allerdings von 1977. Für die Praxis dürfte dieses Urteil von geringer Relevanz sein, um so mehr, als in einer Entscheidung von 1989 angemerkt wird: "Angesichts der Zustimmung des Opfers sind leichte Verletzungen im Verlauf eines freiwilligen sadomasochistischen Vorgehens nicht strafbar." Mit großer Wahrscheinlichkeit werden sich mittlerweile auch österreichische Juristen der in Deutschland vorherrschenden Sichtweise anschließen und keine Sittenwidrigkeit mehr erkennen.
In diesen Absatz sind einige nachträgliche Korrekturen und Anmerkungen eines Schweizer Anwalts eingebaut und mit "Neu" gekennzeichnet.
Auch in der Schweiz liegen die Dinge ähnlich. Art. 123 StGB lautet: "1. Wer vorsätzlich einen Menschen ... an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Gefängnis bestraft. 2. Die Strafe ist Gefängnis, und der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er Gift, eine Waffe oder einen gefährlichen Gegenstand gebraucht ..." und in Art. 126 heisst es: "Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Haft oder mit Busse bestraft."
Neu: Dadurch, dass es sich in beiden Fällen um Antragsdelikte handelt, sind Schweizer Sadomasochisten rechtlich besser gestellt als beispielsweise die Österreicher.
Durch die Formulierung "schädigt" kommt das Schweizer Strafrecht ohne einen Paragraphen aus, der es Ärzten wie im deutschen Recht gesondert ermöglicht, Eingriffe vorzunehmen.
Neu: Im Schweizer Recht gilt unbestritten, dass die Einwilligung eine einfache Körperverletzung immer zu rechtfertigen vermag, erst recht natürlich eine Tätlichkeit.
Wenn man davon ausgeht, dass auch hier die "gefährlichen Gegenstände" wie in Deutschland verstanden werden, sind Schweizer Sadomasochisten damit rechtlich am schlechtesten gestellt.
Neu: Für das Schweizer Recht kann man nicht davon ausgehen, dass die "gefährlichen Gegenstände" wie in Deutschland verstanden werden. Nach der hier herrschenden Lehre sind andere (als die ausdrücklich genannten
Gift und Waffen) Gegenstände gefährlich, wenn sie in der Weise verwendet werden, dass ein hohes Risiko der Tötung oder schweren Körperverletzung entsteht. Als schwere Körperverletzung gilt dabei die Umschreibung von
Art. 122 StGB, d.h. "... ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht ... einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt ... eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht".
Offenbar liegt sehr viel im Ermessen des jeweiligen Richters, aber da für Schweizer Gerichte das "Gefühl des normal empfindenden Durchschnittsbürgers" wohl immer noch stärker als in Deutschland die rechtlichen Normen bestimmt, dürfte man dort als sexuelle Minderheit insgesamt schlechte Karten haben.
So schrieben wir, aber der hilfsbereite Schweizer Anwalt hält dagegen, die Österreicher seien wegen des fehlenden Antragserfordernisses tendenziell eher schlechter dran.
SM-Praktiken bewegen sich damit zum großen Teil in einer rechtlichen Grauzone. Langfristig wäre mehr Rechtssicherheit wünschenswert, denn was geschieht, wenn die Beurteilung sadomasochistischer Körperverletzungen richterlicher Willkür überlassen bleibt, sieht man am britischen "Spanner case": Nachdem die britische Polizei 1987 in den Besitz privater Videoaufnahmen gelangte, auf denen schwule Männer bei einvernehmlichen SM-Praktiken zu sehen waren, wurden als Teil der drei Millionen Pfund (etwa neun Millionen DM) teueren Operation "Spanner" mehr als 100 Männer verhört und 42 schließlich wegen Körperverletzung vor Gericht gestellt. 1990 wurden 16 Angeklagte zu Freiheitsstrafen bis zu viereinhalb Jahren verurteilt und weitere 26 wegen Beihilfe zur - an ihnen selbst begangenen - Körperverletzung verwarnt. Bei den beanstandeten Praktiken handelte es sich lediglich um Playpiercings und Cuttings. Drei der Verurteilten legten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen das Urteil ein. Der Europäische Gerichtshof bestätigte 1997 das Urteil der britischen Richter mit der Begründung, es sei grundsätzlich Sache des jeweiligen Staates, festzulegen, was er für strafwürdig halte.
Das wahrscheinlich größte reale Rechtsrisiko für Sadomasochisten ist ein Bottom, der nach einem - womöglich schief gegangenen - Spiel seine Ansicht über die Einvernehmlichkeit der Aktion ändert. Der Bottom kann den Top jederzeit wegen Körperverletzung anzeigen, und dabei behaupten, er habe entweder gar nicht in SM-Praktiken eingewilligt oder diese Einwilligung sei beispielsweise unter dem Einfluss von Alkohol zustandegekommen. Wenn zusätzlich noch Spuren von Schlägen oder anderen Praktiken zu sehen sind, hat der Top sehr schlechte Karten. Außerdem können zusätzlich die Vorwürfe der Nötigung und Freiheitsberaubung ins Spiel kommen. Auch unterzeichnete "Verträge" nützen da nichts, sondern können im Gegenteil vor Gericht zu Ungunsten des Tops ausgelegt werden.
Hier handelt es sich um ein schwieriges Rechtsgebiet, auf dem es noch kaum Erfahrungen gibt. Spuren von Gewaltanwendung, die in einem Vergewaltigungsfall belegen können, dass das Opfer Widerstand geleistet hat, bedeuten in einem SM-Zusammenhang leider gar nichts. Es ist weder sichergestellt, dass ein Opfer realer, als SM getarnter Gewalt vor Gericht recht bekommen wird, noch sind Tops vor ungerechtfertigen Vorwürfen von Bottoms angemessen geschützt. Daran wird sich - wie in allen Fällen, in denen letzten Endes Aussage gegen Aussage steht - nicht viel ändern lassen; man kann nur hoffen, an Richter und Gutachter zu geraten, denen das Thema SM einigermaßen vertraut ist. Am sinnvollsten ist es natürlich, solchen Problemen vorzubeugen, indem man sich seine Partner sehr gut aussucht und sich weder als Top noch als Bottom Hals über Kopf auf ein Spiel mit Unbekannten einlässt.
Auch nach einer Trennung im Streit bieten SM-Interessen, die man in der Beziehung glücklich geteilt hat, vielfältige Möglichkeiten, dem Ex-Partner Schwierigkeiten zu bereiten. Ein Fall aus der Anwaltspraxis:
"Nachdem sich meine Mandantin von ihrem Freund losgesagt hatte und allen seinen Versuchen widerstanden hatte, sie zur Rückkehr zu bewegen, schrieb er einen anonymen Brief an ihren Arbeitgeber, dem er ein Foto beifügte, das in einer SM-Zeitschrift abgedruckt war und die Mandantin bei einer Bondage zeigte, ziemlich nackt. Der Denunziant gab sich als alte Frau und noch ältere Kundin des Hauses aus und behauptete, der "Neffe" hätte sie auf dieses Bild aufmerksam gemacht. Solange derartige Personen in der Firma Kunden bedienen würden, würde sie keinen Fuß mehr in das Geschäft setzen. Ich habe ihn außergerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen, der Herr meldete sich jedoch nicht. Er war selbst Mitglied der SM-Subkultur ..."
Im Bereich der SM-Prostitution scheint Erpressung ebenfalls hin und wieder zum juristischen Problem zu werden. Wird man erpresst, sollte man sich auf jeden Fall an die Polizei wenden, die wie die Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet ist, Erpressungsopfer zu schützen. Die Namen der Opfer werden also durch ein solches Verfahren nicht öffentlich bekannt.
Vorbeugung durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und freiwilliges Outing, bevor es zum Zwangsouting kommt, können hier sinnvoll sein. Mit seiner Homosexualität ist heute kaum noch jemand beruflich zu erpressen; eines Tages wird sich die Lage - hoffentlich - auch für Sadomasochisten bessern.
Wenn nach einer Trennung vor Gericht entschieden werden muss, wer das Sorgerecht für gemeinsame Kinder erhält, scheinen SM-Neigungen eines Partners im allgemeinen weniger Anlass zur Besorgnis zu geben, als Sadomasochisten oft vermuten. Die Zuständigen sind daran gewöhnt, dass nach einer Trennung allerhand schmutzige Wäsche gewaschen wird und ordnen solche Vorwürfe zumindest in Deutschland anscheinend recht gelassen ein. Das Sorgerecht für ein Kind kann nur dann eingeschränkt oder entzogen werden (antragsberechtigt sind Verwandte oder das Jugendamt), wenn in der Person des Sorgeberechtigten Gründe vorliegen, die eine kindgerechte Ausübung des Sorgerechts beeinträchtigen und die geeignet sind, das Kind zu schädigen. Beispiele wären Vernachlässigung der Ernährung oder der Gesundheitsfürsorge, Verwahrlosung, Missbrauch oder Misshandlung des Kindes, Geistesschwäche oder Krankheit. Sexuelle Vorlieben der Eltern gehören nicht zu den konkreten Gefahren, solange das Kind nicht in deren Praktiken einbezogen wird. Eine Mutter kann beispielsweise auch als Prostituierte arbeiten, ohne dass das Kindeswohl gefährdet ist. In der Literatur zur aktuellen Rechtsprechung scheint es keine Fälle zu geben, in denen sexuelle Vorlieben der Eltern als solche Gefährdung angesehen wurden - andererseits haben es Gerichte in den letzten Jahren nicht selten abgelehnt, das Sorgerecht einem homosexuellen Elternteil zu übertragen. Gerade angesichts der Tatsache, dass Sadismus und Masochismus von der WHO nach wie vor unter den psychischen Störungen geführt werden, könnte eine SM-Neigung den Ausschlag geben, wenn bereits andere ungünstige Faktoren im Spiel sind. Im Streitfall wird man mit Sicherheit mehr Beweise für die eigene Erziehungseignung erbringen müssen als Nichtsadomasochisten.
Sadomasochistische Interessen oder Aktivitäten des Arbeitnehmers sind kein Kündigungsgrund, nicht einmal in erzieherischen Berufen. Die private Lebensführung ist Sache des Einzelnen und geht den Arbeitgeber nichts an. Das Arbeitsgericht Berlin hat am 7. Juli 1999 entschieden, dass von der Norm abweichende Sexualpraktiken keine Kündigung rechtfertigen können: "Wenn ein Arbeitnehmer zum Sadomasochismus neigt, lässt dies noch nicht den Schluss zu, dass er im Rahmen des Arbeitsverhältnisses eher zu Distanzverletzungen neigt als MitarbeiterInnen, die sich im Rahmen des gesellschaftlichen Akzeptierten sexuell betätigen." Das bedeutet andererseits, dass irgendein Arbeitgeber auch 1999 noch der Ansicht war, die SM-Interessen eines Mitarbeiters seien ein Kündigungsgrund - und nicht jeder will sich auf einen Rechtsstreit wegen seiner privaten Vorlieben einlassen.
Beamte und Richter üben in Deutschland eine "sicherheitsempfindliche Tätigkeit aus" und dürfen daher nicht erpressbar sein. Auch andere Unternehmen können zur Geheimhaltung verpflichtet werden, so dass die dort Beschäftigten einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Außerdem ist das Bundesamt für Verfassungsschutz berechtigt, im Rahmen des vorbeugenden Sabotageschutzes Personen zu überprüfen. In den entsprechenden Fragebögen wird nur allgemein nach "sonstigen Umständen" gefragt, "die für die Sicherheitsüberprüfung von Bedeutung sein können" - wie man diese Frage beantwortet, hängt davon ab, ob man sich selbst für erpressbar hält. Nur wer ein Doppelleben führt, kann hier eventuell als Sicherheitsrisiko betrachtet werden, während alle privat oder öffentlich Geouteten nichts zu befürchten haben.
Auch wer in einer kirchlichen Einrichtung arbeitet, hat Grund zur Sorge. Die Kirchen dürfen ihren Mitarbeitern die Pflicht auferlegen, ihre persönliche Lebensführung nach den Normen der betreffenden Kirche auszurichten. So verweigerte beispielsweise im Herbst 1994 die "Evangelische Familienbildungsstätte" in Neumünster einer Mitbegründerin der "AG S/M und Öffentlichkeit" die Verlängerung ihres Honorarlehrvertrags. Als Begründung wurde ihre Teilnahme an einer Live-Diskussion in der ZDF-Reihe "Doppelpunkt" zum Thema "Was heißt hier schon pervers?" angeführt. Eine weitere Beschäftigung sei aus pädagogischen Gründen ("Erziehung zur Gewaltfreiheit") und mit Rücksicht auf Kollegium, Kirchenleitung, Arbeitsamt und Eltern leider "nicht mehr zu verantworten". Diese Diskriminierung betrifft Sadomasochisten allerdings nur am Rande - Hauptleidtragende sind Schwule und Lesben. Wer die kirchlichen Normen nicht mit seinen persönlichen Ansichten in Einklang bringen kann, dem bleibt nichts anderes übrig, als die Kirchen als Arbeitgeber zu meiden. In manchen Berufszweigen (zum Beispiel Kindergärtner) ist das allerdings nicht ganz einfach.
Wenn es der Arbeitgeber darauf anlegt, kann er sich natürlich suspekter Mitarbeiter auch mit fadenscheinigen Kündigungsgründen entledigen oder sie einfach durch Mobbing vertreiben. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Ein frühzeitiges Outing am jeweiligen Arbeitsplatz kann Angriffen vorbeugen - man muss ja nicht laut "He, Chef, ich bin pervers" rufen, aber man sollte auch keinen Hehl aus seiner sexuellen Orientierung machen. Grundsätzlich ist es sicherer, bereits am Anfang des Berufslebens offen zu seinen sadomasochistischen Interessen zu stehen und für sie einzutreten - dass sie sich als Karrierehindernisse erweisen, ist weniger wahrscheinlich, als wenn konservative Kunden oder Arbeitgeber später und womöglich unbeabsichtigt damit konfrontiert werden.
Hin und wieder passiert es, dass sich Fotolabors an die Polizei wenden, weil man auf Privatfotos verbotene Pornographie oder Straftaten entdeckt zu haben glaubt. Man sollte das niemandem verübeln: sadomasochistische Darstellungen sind für Außenstehende oft erschreckend, und die Aufmerksamkeit des Fotolabors kann ein andermal durchaus den Opfern realer Verbrechen zugutekommen. Die Anschaffung einer Digital- oder Sofortbildkamera, das Entwickeln im eigenen Labor oder der Kontakt zu einem SM-interessierten Fotografen können hier Probleme vermeiden helfen.
Wenn der Arzt nachfragt, woher dieser oder jener blauer Fleck oder die seltsamen Striemen kommen, sollte man offen Auskunft geben. Ein Arzt, der angesichts solcher Spuren von Gewaltanwendung nicht nachfragt, ist kein guter Arzt, und es wird ihn in der Regel beruhigen, zu hören, dass sie durch einvernehmliche Praktiken und nicht durch eheliche Gewalt entstanden sind.
Auch Nachbarn, die die Polizei rufen, weil sie Schreie und seltsame Geräusche hören, sind im Prinzip bessere Nachbarn als solche, die die Ohren verschließen. Immerhin können sie nicht wissen, ob man wirklich vorher vereinbart hat, dass man mit dem Teppichklopfer an der Haustüre empfangen werden möchte. Wenn die Polizei während eines Spiels auftaucht, sollte man ruhig und freundlich bleiben und sie hereinbitten, damit sie sich selbst ein Bild machen können. Auch wenn man sich diskriminiert und zu Unrecht verdächtigt fühlt, ist es alles andere als ratsam, die Polizeibeamten am Betreten der Wohnung zu hindern. Am besten lässt man den Bottom reden - er wird die Freunde und Helfer in der Regel am schnellsten davon überzeugen können, dass es sich nicht um häusliche Gewalt handelt. Rotzuwerden braucht man in so einer Situation auch nicht, weil Polizisten, ähnlich wie Ärzte in der Notaufnahme, so ziemlich alles schon mal gesehen haben. Trotzdem dringend verkneifen sollte man sich die Sätze: "Kann ich mal Ihre Handschellen ausleihen?", "Bestrafen Sie mich unbarmherzig, Officer!" und "Los, Schlampe, sag, dass es dir Spaß gemacht hat!"
Es gibt immer wieder mal geborene Bürokraten, die sich danach sehnen, die Rollen- und Aufgabenverteilung in ihrer Partnerschaft schriftlich niederzulegen und mit allerhand hübschen Stempeln zu versehen. Auf Mailinglisten erkundigen sie sich regelmäßig, ob es nicht doch irgendeinen juristischen Trick gibt, sich das Recht auf Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit und Fernsehen aberkennen zu lassen. Das geht zum Glück nicht, denn diverse Grundrechte sind, wie es so schön heißt, unveräußerlich. Verträge, in denen man dem Partner allerhand Verfügungsgewalt über die eigene Person einräumt, sind in der Regel sittenwidrig und damit ungültig. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und so finden immer wieder Menschen - im allgemeinen Frauen - Möglichkeiten, sich in eine wirtschaftlich noch weit ungünstigere Lage anderen Menschen - im allgemeinen Männern - gegenüber zu begeben, als selbst das altbewährte Mittel der Ehe vorsieht. Auch bei diesen Paaren kommt es nicht seltener als bei anderen Leuten (also ziemlich oft) zu schmutzigen Trennungen und Scheidungen, und wenn man dann nach einigen gerichtlichen Instanzen sein Hab und Gut wiedersieht, ist man noch glimpflich davongekommen. Wir raten eindringlich von allen Regelungen ab, die tatsächlich gegen den Willen des Bottoms in dessen Lebensverhältnisse eingreifen können. So viel Spaß sie im Spiel auch machen mögen: genau dort sollten sie auch bleiben. Solange man gewisse Regeln freiwillig einhält, braucht man keinen Vertrag, und wenn es mit der Freiwilligkeit einmal aus ist, ist es auch mit der Beziehung aus - dann bereut man bitterlich, dass man dem Top das Familienvermögen überschrieben hat. Als Faustregel gilt: Die Tatsache, dass man mit einem (nicht nur symbolischen) Sklavenvertrag liebäugelt, bedeutet gleichzeitig, dass man zu den Leuten gehört, die besser keinen abschließen.
Nadine Strossen: "Zur Verteidigung der Pornographie. Für die Freiheit des Wortes, Sex und die Rechte der Frauen.", Haffmans Verlag 1997
Valentin Sitzmann: "Zur Strafbarkeit sado-masochistischer Körperverletzungen", in: P.-G. Pötz (Hrsg.): Goltdammers Archiv für Strafrecht 2/91, S. 71-81
Olaf May: "Strafrecht und Sadomasochismus", Shaker Verlag, Aachen 1997
Eine staubtrockene, aber umfassende Abhandlung des Themas, die durch Mays schlechte Praxisrecherche ein wenig beeinträchtigt wird. Besonders angetan hat es ihm offenbar das Zopfabschneiden, ein seit mehreren Generationen quasi ausgestorbener Fetisch. Auch das von May angenommene hohe AIDS-Risiko, da über die Hälfte der sadomasochistischen Kontakte zu Prostituierten ohne Kondome stattfinde, ist realitätsfremd: bei solchen Kontakten kommt es in aller Regel überhaupt nicht zum Geschlechtsverkehr.
Harald Niedermair: "Körperverletzung mit Einwilligung und die Guten Sitten - Zum Funktionsverlust einer Generalklausel", C.H. Beck, München 1999
BDSM & Recht bei Andersartig: www.andersartig.net/recht.htm
de.talk.liebesakt-FAQ: Recht, was ist erlaubt? (Achtung, aktualisierte Adresse!) piology.org/dtl/recht.html
Seiten des LSVD "Lesben und Schwule im Recht": www.lsvd.de/recht/