Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Interview mit Sabine

 

Wie alles begann? Das weiß ich gar nicht. Also, ich hab als Kind, so im Nachhinein, Dinge gemacht, die man normalerweise nicht macht, auch sämtliche Freundinnen mit reingezogen. Das waren immer Spiele, bei denen einer der Unterdrücker war und einer der Unterdrückte. Also, das waren schon so Sachen wie Prinzessin und Sklavin oder sowas. Also, da waren schon heftige Sachen dabei. Ich war immer die Sklavin ... das Switchen hab ich dann erst zwanzig Jahre später entdeckt. Sehr interessant war übrigens, daß meine Freundinnen nachher gar nicht mehr Prinzessin sein wollten, sondern auch Sklavin. Und, also die, die ich damit später konfrontiert hab, die wollten das eigentlich gar nicht hören.

Dann hat sich das in der Pubertät so ein bißchen verwachsen, im Gegensatz zu allen anderen SMlern, die ich kenne. Bei meinem ersten Freund ist das dann wieder hochgekommen, so mit 17. Und wir haben SM gemacht, haben es aber nie so genannt. Das war auch nie so ein körperliches SM, sondern rein psychisch, rein verbale Sachen, also Demütigungsgeschichten. Als ich dann meinen nächsten Freund kennengelernt habe, ging das urplötzlich "Ach übrigens, ich bin SMler" - "Au prima, das klappt, ich auch". Da war ich so 20, 21, wo ich es dann auch so benannt habe und wo ich dann eigentlich rausgefunden habe, ok, das bin ich. Naja, dann haben wir gedacht, oh prima, jetzt wirds toll, und dann fingen die Probleme an, weil er halt was anderes drunter verstanden hat als ich. Ich hatte immer noch diese psychische Schiene und er hatte dann doch die Schmerzschiene. Naja, man pendelt sich dann ein, daß man's halbwegs so hinkriegt, daß es beiden Spaß macht.

Andere SMler kannte ich damals gar nicht. Ich war kurz vor der Couch, weil ich mir überlegt habe, du bist eine gestandene Frau - in der Schule nannte man mich auch die linke Kampfemanze - war zu dem Zeitpunkt aber rein M und habe überlegt, das paßt nicht zusammen, es geht nicht. Ich war wirklich auch der Meinung, ich wäre krank, daß irgendwas mit mir nicht stimmt. Ich hatte nichts gelesen, auch im Fernsehen nichts gesehen, es paßte nur einfach nicht. Es paßt nicht, daß man auf der einen Seite gedemütigt und geschlagen werden will, und auf der anderen Seite aber eine gleichberechtigte Frau ist, der niemand etwas zu sagen hat. Das paßte halt nicht.

Ich bin dann doch nicht auf der Couch gelandet, ich habe Schreinemakers Live gekuckt, das war 92. Da hatte sich die Gruppe SMart Rhein-Ruhr grade gegründet und einer der Gründer saß da und hat dann erzählt, wie toll SM eigentlich ist. Und da hab ich dann Rhabarberblätterohren gekriegt und wollte da einfach nur noch mehr drüber wissen, wollte dann da hin. Mein damaliger Freund war der Meinung, das wäre ein Swingerclub, da wollte er dann nicht hin. Ich hab mich dann durchgesetzt, hab drei Anläufe genommen, da anzurufen und beim dritten hab ichs dann mit roten Ohren geschafft und hab dann meinem Freund eröffnet: Am Donnerstag treffen die sich und ich geh da hin, was du machst, ist mir egal. Er ist dann mitgegangen und wir beide haben dann nach fünf Minuten etwa schon gemerkt, daß es das ist. Da war ich 22. Ich war damals noch eine der Jüngsten da.

Damals wußte ich auch mittlerweile dann schon, daß das wohl SM ist. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß es Vereine gibt, die was anderes sind als Swingerclubs und war halt auch der Meinung, wenn man da einmal in die Fänge dieser Leute gerät, daß man da dann ein echtes Problem hat und da nicht wieder rauskommt. Daß selbst, wenn man nicht mehr will, das trotzdem weitergemacht wird. Das kam so aus dem Gefühl, weil, sind ja die Bösen.

Und wie war das Treffen?

Lustig. Einfach nur lustig. Also, ich hab festgestellt, das sind alles ganz viele Leute mit Humor. Erst mal, es waren ganz viele. Wir waren damals, glaub ich, zwanzig Leute. Ich hab gedacht, wir wären ein versprengtes Grüppchen von drei, und davon sind zwei wir oder so. Leute, mit denen man sich sehr gut unterhalten konnte, über SM, aber eben auch über andere Sachen. Vor allen Dingen, man konnte sich endlich mal über SM unterhalten. Vorher hatte ich ja nur meinen Freund und sonst niemanden. Und auch er hatte nur mich, und auch sonst niemanden. Und jetzt konnte man sich endlich mal über andere Dinge unterhalten. So, was man denn sonst noch so machen könnte, man hat Anregungen gekriegt. Und das Schöne war halt, es waren jede Menge Frauen da, die genau wie ich waren: schön, renitent, aufsässig, selbstbewußt, haben sich von niemandem was sagen lassen, und waren trotzdem M. Das war halt unheimlich wichtig. Nach so zwei, drei Treffen hab ich dann die Couch Couch sein lassen. Hab beschlossen, das ist doch nichts für mich.

Was ich nicht verstanden hab, was also nachher erst bei mir gekommen ist, ist, daß ich eigentlich die perfekte emanzipierte Frau bin. Nämlich, daß ich genau das tue, was ich gerne möchte. Im Beruf, im Leben, ich laß mir von niemandem was sagen, aber wenn ich möchte, daß ich geschlagen werde (oder jetzt eben auch schlage) oder daß ich gedemütigt werde, dann will ich das, und dann bestimme ich auch denjenigen, der das darf.

Ich mußte es halt mit eigenen Augen sehen, daß es andere Frauen gibt, die genauso sind. Und eben auch, daß es andere Männer gibt, die genauso sind wie mein Freund, nämlich, daß ein Nein Nein heißt und daß sie das nicht als Freibrief für Vergewaltigung, Nötigung oder Unterdrückung nehmen.

Ich hatte mehrere Coming-Outs. Ich hab eins für mich gehabt, dann kam eine Zeit, wo ich meinen Freunden das alles erzählt habe, und dann irgendwann hab ichs meiner Familie erzählt. Meiner Mutter, meinem Bruder und meiner Cousine. Meine Überlegung war einfach, ich wollte nicht immer lügen. Das war so ein Auslöser, ich wollte auf eine Fete gehen und wollte da auch an der Theke arbeiten, das war am gleichen Tag, an dem mein Opa Geburtstag hatte, und meine Mutter fragte mich, ob ich komme, und dann sagte ich, nee, wir hätten eine Sommerabschlußfete. Und daraufhin meinte mein damaliger Freund zu mir, weißt du in einem Jahr noch, was du deiner Mutter heute gesagt hast? Was ist, wenn die dich nochmal fragt, dann hast du keine Ahnung mehr. Und dann hab ich gesagt, nee, es reicht jetzt, ich will nicht mehr lügen. Und dann hab ichs ihr gesagt. Ja, sie war nicht begeistert, es kam dann auch immer, ja, Kind, was haben wir falsch gemacht, und das ist bestimmt, weil du in die große Stadt gezogen bist und solche Sachen, aber das hat sich dann gegeben. Das war 95, daß ich ihr das gesagt hab, ich war 25, und bis heute hat sich das gegeben. Sie weiß es, sie akzeptiert es, die meisten meiner Freunde sind eben SMler, viele davon kennt sie auch und hat auch nichts mehr dagegen.

Meine Theorie zum SM ist die für mich bequemste: es ist in den Genen. Es ist einfach so, ich kann mich keines Erlebnisses erinnern, wo das hätte passiert sein können, ich hatte eigentlich auch eine sehr schöne Kindheit, und ich denke wirklich, es ist ähnlich wie Homosexualität in den Genen verankert ... wahrscheinlich kein dominantes Gen ;-)

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001